Zwangsräumungen der „Taskforce Schrottimmobilie“

Seit März 2021 setzen wir uns auf der Seite von Betroffenen kritisch mit den Hintergründen und Folgen der Zwangsräumungen durch die „Taskforce Schrottimmobilie“ auseinander. Den Anstoß hat die Zwangsräumung an der Gravelottestr. 51-55 gemacht. Zusammen mit den betroffenen Bewohner:innen organisierten wir sichtbaren Protest an der Pauluskirche. Unsere selbstorganisierte Sozialberatung, die wir nicht als Soziale Arbeit sondern vielmehr als politische Arbeit verstehen, ist noch in der Bauphase des ZK entstanden. Denn wir mussten im Februar 2022 erneut hilflos Zeug:innen der Zwangsräumung an der Gravelottestr. 39 werden und mit ansehen, wie zahlreiche Familien von jetzt auf gleich auf die Straße gesetzt wurden. Zusammen mit den Betroffenen haben wir Strategien der kollektiven Hilfe entwickelt, uns weitergebildet und professionalisiert und unter anderem vorläufige Postmeldeadressen angeboten.

Zugleich haben wir die Erfahrung machen müssen, dass die bestehenden Beratungsangebote den Betroffenen entweder nicht bekannt waren, sie eine große Skepsis vor diesen Einrichtungen haben und die Hürden zur Terminvereinbarung zu groß sind.

Auf den gemeinsamen Interventionsversuchen und unserer solidarischen Positionierung basiert unsere Vertrauensbasis mit unserer Nachbarschaft, die sich das ZK schnell als ihren safer space angeeignet haben. Daraus ist nicht nur unsere wöchentliche Sozialberatung entstanden sondern auch die Angebote für die Kids aus der Nachbarschaft sowie die Raumüberlassung für Familienfeiern.

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Auszug aus unserer Stellungnahme zu einer Zwangsräumung im Mai 2022:

„Die traumatische Erfahrung der Zwangsräumung, die plötzliche Wohnungslosigkeit, der erschwerte Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Existenzsicherung, sind zusammen genommen eine humanitäre Katastrophe vor unserer Haustür in Duisburg.

Seit Jahren erleben wir, dass vor allem in Duisburg-Marxloh und Hochfeld Wohnhäuser, die mehrheitlich von Familien aus Osteuropa bewohnt werden, in unangekündigten und konzertierten Einsätzen der „Task-Force Problemimmobilien“ geräumt werden. Die Familien müssen in einem Zeitraum von wenigen Stunden ihre Wohnungen verlassen und Unterstellmöglichkeiten für ihre Möbel und sämtliches Hab und Gut finden. Sie sind von jetzt auf gleich obdachlos und im schlimmsten Fall auch noch mittellos. Eine Häuserräumung kann nur das allerletzte Mittel sein, in einem ordnungsamtlichen Vorgang zwischen den Vermieter:innen und den Behörden. Die Behebung von gravierenden Mängeln und die Verhinderung von Wohnungslosigkeit müssen weiterhin im Vordergrund stehen. Schluss mit den unangekündigten Räumungen!

Wir fordern umfassende Transparenz und eine Informationspflicht über anstehende Räumungen seitens der Behörden: nicht nur an die Vermieter:innen, sondern vor allem an die unmittelbaren Leidtragenden: die Bewohner:innen. Die Bewohner:innen müssen frühzeitig darüber informiert werden, wenn das Ordnungsamt den Vermieter:innen eine Mängelliste vorlegt und Auflagen gemacht hat. Diese, und alle weiteren Informationen müssen den Mieter:innen in ihrer Muttersprache zugänglich gemacht werden. KEIN ordnungsamtlicher Vorgang rechtfertigt eine solche unangekündigte und unverschuldete Vertreibung.

Schluss mit der sofortigen Einstellung der Zahlung aller Hilfeleistungen bei unverschuldetem Wohnungsverlust! Schon vor der Überprüfung einer Immobilie sind Mitarbeiter:innen des Jobcenters über anstehende Räumungen unterrichtet. Spätestens bei einem laufendem Räumungseinsatz stellen die Sachbearbeiter:innen den Wohnungsverlust fest. Der Verlust der Meldeadresse führt in der Regel zur sofortigen Einstellung von Hilfezahlungen. Die Bewohner werden während einer Räumung über diesen behördlichen Schritt nicht informiert und haben dadurch keine Möglichkeit dem entgegenzuwirken. Diese Praxis ist unverantwortlich. Eine Neubeantragung dieser Hilfen bedeutet erheblichen Verwaltungsaufwand und vor allem unbezahlte, ehrenamtliche Arbeit. Es entstehen in fast jedem Fall Zahlungslücken, die von Menschen ohne finanzielle Rücklagen nicht überbrückt werden können und ein Leben unterhalb des Existenzminimums zur Folge hat. Die traumatische Erfahrung der Zwangsräumung, die plötzliche Wohnungslosigkeit, der verhinderte Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Existenzsicherung, sind zusammen genommen eine humanitäre Katastrophe vor unserer Haustür in Duisburg. Schluss mit der Vertreibung armer Menschen aus den Wohnvierteln und ihrer Umsiedlung in Übergangsheime an der Peripherie!

Bei den Räumungen werden den Menschen Ausweichunterkünfte in Container-Wohnheimen am Rande der Stadt angeboten. Diese Unterkünfte sind in der Regel nicht ausreichend groß für die Familien mit ihren Kindern. So wurden den Familien z.B. wiederholt Zimmer im Übergangswohnheim in Baerl an der Voßbuschstraße angeboten. Ein Zimmer ist mit zwei Etagenbett für vier Personen ausgestattet. Viele Familienmitglieder müssten nach diesem traumatischen Erlebnis also auf dem Boden schlafen. Die Lage dieser Container am Rande der Stadt erschwert den Vertriebenen die Teilhabe am sozialen Leben und den Zugang zur Schule und Kindergarten. Von Baerl verkehrt lediglich ein Linienbus einmal in der Stunde. Mehrmaliges Umsteigen ist nötig, um vom Wohnheim zur Schule in Hochfeld zu kommen. Obendrein entstehen für die Nutzung der Unterkünfte Kosten, für die die Betroffenen zunächst aufkommen müssen. Schluss mit dieser unwürdigen Praxis – Übernahme des Dortmunder Modells für Duisburg jetzt!

In Dortmund hat man diese unwürdige Praxis seit 2018 aufgegeben und durch eine transparente und verantwortliche Praxis der Wohnraumerhaltung ersetzt. Dort wurden vielfältige und kreative Verfahren entwickelt, die „Problemhäuser“ wieder bewohnbar zu machen, um den Bewohner:innen eine Chance zu geben, weiter in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben. Wir fordern eine Taskforce für ein menschwürdiges Zusammenleben in Hochfeld und überall!

Wir fordern ein Umdenken beim Umgang der gesamten Stadtverwaltung mit der betroffenen Bevölkerung, die oftmals schon eine antiziganistische Kontinuität der Vertreibung erleben musste. Es gibt keine „Problemmenschen“, die in „Problemhäusern“ und „Problemstadtteilen“ wohnen. Wenn es Probleme gibt, kann man die gemeinsam lösen. Wenn man denn will. Genügend Ansätze, Expertise und Akteur:innen gibt es vor Ort! Lasst uns gemeinsam an neuen und solidarischen Formen des Zusammenlebens arbeiten! Lasst uns Räume der Begegnung schaffen und Vorurteile überwinden! Wo anders funktioniert es ja auch! Lasst uns miteinander sprechen, gegenseitig zuhören und gemeinsam handeln! Schaffen wir das Duisburger Modell!“