Räumung aufgeschoben – Wie weiter?

Die WAZ berichtet über unsere heutige Mahnwache. Nun müssen im Sinne der Bewohner:innen schnelle Lösungen gefunden werden. Im Laufe des Tages konnten wir uns zusammen mit einem Elektriker ein Bild von der Stromversorgung des Hauses machen: nichts deutet darauf hin, dass der Strom abgestellt wurde oder es in diesem Haus „Stromdiebstahl“ gebe, wie es die Stadt in ihrer Pressemitteilung vom 03.05. behauptet. Hier liegen offensichtlich erneut widersprüchliche Aussagen der Stadt zu dem Zustand und zu den Gründen der Absage der heutigen Begehung des Hauses vor.

Durch eine mögliche, noch kommende Einstellung der Stromversorgung (auch wenn kein Anlass für eine Einstellung bestünde), befürchten wir allerdings eine zukünftige Unbewohnbarkeit des ganzen Hauses, weshalb diese Situation unbedingt vermieden werden sollte. Wir brauchen keine sich selbst erfüllenden Prophezeiungen sondern konkrete Hilfe und lösungsorientierte Ansätze vor Ort.

Als ebenfalls falsch entpuppten sich Aussagen in der Stellungnahme des Jobcenters Duisburg vom 03.05., die behaupteten, dass für die Bewohner:innen kein finanzieller Nachteil entstanden sei. Nur durch mehrmaliges Insistieren unserer Beratungsstelle, wurde zunächst aufgrund der finanziellen Notlage, weitere Zahlungen veranlasst. Eine vollständige Einstellung der Zahlungen war rechtswidrig. Natürlich ebenso die vorzeitige Abmeldung. Bis der Schaden wieder vollständig ausgeglichen ist, können noch Wochen vergehen. Eine Entschuldigung allein reicht nicht aus und kann die traumatische Erfahrung nicht wieder gut machen.

Wir fordern Konsequenzen für die verantwortliche Person, Frau H., in der Behörde.“Vor der Tür sitzen einige Vereinsmitglieder, die in den vergangenen Tagen die Bewohner beraten und zum Beispiel den Kontakt zu einer Anwältin hergestellt haben. Bekannt geworden war die geplante Kontrolle und vermutliche Räumung des Hauses, weil das Jobcenter einer Familie einen Brief schickte, indem angekündigt wurde, dass die Zahlungen eingestellt würden, weil sie zum 4. Mai von der Adresse abgemeldet würden. Auch jetzt zuckt die Familie noch zusammen, als sich ein Polizeiauto der Gravelottestraße nähert – die Beamten schauen sich aber nur die genehmigte Mahnwache an.“

Begehung durch die Taskforce aufgeschoben

Wir bleiben solidarisch mit unseren Nachbar:innen! Das Problem wurde nicht gelöst, sondern nur vertagt. Der Schaden ist angerichtet. Und die Stellungnahmen der Stadt und vom Jobcenter werfen zahlreiche neue Fragen auf.

Taskforce Duisburg räumt geplant?

Jobcenter Duisburg stellt rechtswidrig Leistungen ein.

Die Duisburger Taskforce plant für diesen Mittwoch, 4.5.22 eine Überprüfung der Gravelottestraße 48. Wir rechnen nach unserem jetzigen Informationsstand mit einer Zwangsräumung.

Die Bewohner:innen und der Eigentümer wurden nicht informiert. Jedoch scheint die Abteilung des Jobcenters „Südosteuropa“ etwas zu übereifrig gewesen zu sein. Das Jobcenter Duisburg hat anscheinend schon vor Wochen über einen Task-Force-Einsatz Bescheid bekommen und die Leistungen für die Bewohner:innen vorläufig ganz eingestellt, obwohl sie derzeit noch an der Adresse wohnhaft sind. Uns liegen zwei entsprechende Bescheide von Familien, die unsere Sozialberatung aufgesucht haben, vor. Dieses Verfahren durch das Jobcenter Duisburg ist rechtswidrig.

Es ist ein Novum, dass wir durch Zufall von dem Vorgehen des Jobcenters erfahren haben. Eine offenbar zugrundeliegende interne Kommunikation der Taskforce, die zu der vorgezogenen Abmeldung durch das Jobcenter von der Adresse führte, lässt darauf schließen, dass die bisher kommunizierte Entscheidungsgrundlage über die Überprüfung auf ,Gefahr für Leib und Leben’ eine vorgeschobene Lüge ist. Das ist das, was Betroffene und Engagierte schon immer an dem selektiven Vorgehen der Taskforce kritisiert haben.

Selbst wenn es durch die Taskforce keinen Einsatz am Mittwoch geben sollte, bleibt die drängende Frage im Raum, auf welcher Basis das Jobcenter an die Informationen gelangt ist und dann die rechtswidrigen Bescheide verschickt hat. Der Schaden ist angerichtet, denn im Zweifel werden nun für die Betroffenen bis zu zwei Monaten alle Leistungszahlungen eingestellt und ein Wohnungsverlust ist so oder so nicht ausgeschlossen.

Zusammen werden wir gegen das Vorgehen mit einer Anwaltskanzlei angehen. Wenn ihr Zeit habt, kommt zu der Mahnwache, zeigt euch mit den Betroffenen solidarisch und zeigt der Stadt deutlich, was ihr von deren Vorgehen haltet. Gegen Zwangsräumung & Verdrängung: Wir lassen die Bewohner:innen nicht allein!

Zwangsgeräumte Bewohner:innen bleiben auf sich alleine gestellt

„Gut eineinhalb Wochen, nachdem die Taskforce der Stadt Duisburg das Haus an der Gravelottestraße 39 geräumt hat (wir berichteten), suchen die meisten Familien noch immer eine neue Wohnung. 55 Bewohner waren betroffen, darunter viele Kinder. Bündnis 90/Die Grünen, die Partei „Die Linke“ sowie der Verein „Solidarität der Vielen“ kritisieren die Stadt, dass sie die ehemaligen Bewohner im Anschluss an eine Räumung nicht besser betreut, sondern dies den Ehrenamtlichen überlasse.

In einer ehemaligen Gaststätte unweit des Hochfelder Markts sitzen sie deshalb zusammen und beraten, wie es nun weiter geht.

Foto: Michael Dahlke / FUNKE Foto Services

Die Debatte flammte bereits nach vielen Häuserräumungen neu auf. Eine Annäherung scheint nicht in Sicht – nachdem die Linken das Thema im der jüngsten Ratssitzung wieder auf die politische Tagesordnung bringen wollten, wurde eine Diskussion von den anderen Parteien abgelehnt.

Mittendrin befindet sich eine Familie. Die Mutter, ihr Mann und die sechs Kindern haben in einer der Wohnungen in Haus Nummer 39 gewohnt. An dem Mittwoch, als die Taskforce vor der Tür stand, mussten sie ihre Habseligkeiten in ein paar Müllsäcke stopfen und das Haus verlassen. Fürs erste sind sie bei Bekannten untergekommen. Eine feste Bleibe suchen sie weiterhin. Eine Freundin der Familie, Casandra Raicu, hilft ihnen und übersetzt.

Lena Wiese und ihre Mitstreiter vom Verein „Solidarität der Vielen“ haben an der St.-Johann-Straße in Hochfeld eine neue Anlaufstelle geschaffen. Das Vereinsheim fungiert für die Betroffenen zugleich als Meldeadresse. Nach einer Räumung werden die Betroffenen ansonsten abgemeldet. „Für die Menschen ist das eine Katastrophe. Sie bekommen weder Post noch Bescheide vom Amt und die Zahlung von Kindergeld und anderen Leistungen wird eingestellt“, schildert Lena Wiese. Nachdem sich der Verein eingeschaltet habe, sei die Aufhebung der Leistungszahlung zurückgenommen worden.

Stella Rauscher, Mitglied für Bündnis 90/Die Grünen, berichtet, wie sie für die Familien herumtelefoniert hat. „Es ist leider so, dass die Reaktionen andere sind, wenn man mit einem deutschen Namen anruft.“ An die Stadt gerichtet fordert sie, dass die Verwaltung transparenter machen müsse, nach welchen Kriterien die Einsätze durchgeführt werden und warum es keine Sozialarbeiter gebe, die die Familien auffangen. Zudem stelle sich die Frage, wie die Stadt gegen die Vermieter vorgehe, die ihre Häuser so verkommen lassen. So werde das Problem weiter auf dem Rücken der Bewohner ausgetragen.

Barbara Laakmann von den Linken weiß: „Gerade die Kinder befinden sich in einer seelischen Ausnahmesituation.“ Keine Familie sei in die Notunterkunft, die die Stadt angeboten habe, gegangen. Diese liege an der Voßbuschstraße in Baerl – wollten die Kinder von dort wieder nach Hochfeld, um etwa die Schule zu besuchen, seien sie mit umsteigen länger als eine Stunde unterwegs. Lena Wiese kann über das Vorgehen der Stadt nur mit dem Kopf schütteln: „Die Betreuung der Familien wird komplett an Ehrenamtliche ausgelagert.“

[…]

Den Familien hilft die aktuelle Debatte um die Taskforce-Einsätze nicht. Einige von ihnen lassen sich derzeit von einem Anwalt vertreten. Aber noch dringender brauchen sie eine Wohnung. Die Ehrenamtler wollen noch einige Telefonate führen, damit sich etwas tut.“

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