Presse: Gemeinsam gegen Rassismus und Verdrängung

Das „Fest der Vielen“ in Duisburg-Hochfeld, veröffentlicht von der Amadeu Antonio Stiftung, Lorenz Blumenthaler

„Es herrschen ein buntes Treiben und ein Wirrwarr der Sprachen in Duisburg-Hochfeld. In anderen Kontexten würde man wohl von gelebtem „Multikulti“ sprechen, von einem lebendigen, lebenswerten Stadtteil. Doch der Schein trügt. Spätestens seitdem der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) 2015 auf einer Konferenz in Berlin stolz verkündete: „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.“ Auch wenn sich Link später entschuldigte, war die Stoßrichtung klar: Gerade die im Viertel lebenden Rom:nja sind der Stadt ein Dorn im Auge.

Denn Duisburg-Hochfeld ist ein sogenannter „Ankommensstadtteil“. Ein ehemaliger Arbeiter:innenbezirk, wie es ihn in beinahe jeder Großstadt gibt, geprägt vom Strukturwandel, dem Niedergang der Schwerindustrie, von Arbeitslosigkeit und damit auch vom Wegzug weiter Bevölkerungsteile. Hinzu kommt ein hoher Migrationsanteil, häufig von Familien aus Südosteuropa. Die Mieten sind in Hochfeld noch erschwinglich. Es herrscht eine starke Fluktuation, die durch die Stadtteilpolitik befeuert wird: Menschen sollen hier zwar ankommen, dann aber auch schnell wieder wegziehen. Investitionen in die Bausubstanz und die soziale Infrastruktur – Fehlanzeige. Dafür soll im Rahmen des Modellprojekts „Urbane Zukunft Ruhr“ „eine neue Art von Wohnen, Leben, Arbeiten und Bildung mit Teilhabe für alle Bürgerinnen und Bürger“ entstehen. Dass damit bei weitem nicht alle Bürger:innen gemeint sind, ist offenbar: Damit die Stadtentwicklung nach Plan läuft, wird auch schon mal mit Zwangsräumungen nachgeholfen. Diese treffen vor allem Großfamilien aus Südosteuropa. „Nach wie vor werden hier Bulgar:innen und Rumän:innen, die als Sintija und Romnja gelesen werden, zwangsgeräumt und auf die Straße gesetzt“, erklärt Lena Wiese vom Verein für die Solidarische Gesellschaft der Vielen e.V..

Um dem rassistisch aufgeladenen Diskurs und den Verdrängungsdynamiken etwas entgegenzusetzen, veranstaltet der Verein auch in diesem Jahr wieder das „Fest der Vielen“. Vom 19. bis 21. August findet das Festival im Duisburger Rheinpark statt, unter dem Motto „Umkämpfter Stadtteil: Geteilte Geschichten“. Geteilte Geschichten gibt es genug im „Ankommensstadtteil“. Geschichten, die zu selten erzählt werden. Wie die vom Brandanschlag im Jahr 1984. Damals in der Nacht vom 26. auf den 27. August legte eine Brandstifterin Feuer in einem Wohnhaus, das ausschließlich von Menschen aus „Gastarbeiter:innenfamilien“ bewohnt wurde. Die Familie Satır lebte zu diesem Zeitpunkt im zweiten Stock. Entgegen der Warnung ihrer Mutter sprangen Rukiye und Aynur Satır aus dem Fenster. Sie überlebten, während sieben weitere Familienmitglieder verbrannten.

Ohne Veranstaltungen wie das „Fest der Vielen“ würde wohl auch diese Geschichte in Vergessenheit geraten. Mit einem vielfältigen Programm aus Podiumsdiskussionen, Konzerten und Infoständen wird die vielfältige Geschichte des Stadtteils erzählt, gerade die Geschichten, die sonst wenig öffentliche und gleichzeitig die aktuelle rassistische Verdrängungsdynamik thematisiert werden. Die Veranstalter:innen wollen den unhörbar gemachten Stimmen der Duisburger Migrationsgesellschaft eine Bühne geben – oder wie es Lena Wiese formuliert, „die Atmosphäre des Nach-unten-Tretens aufbrechen und den Solidaritätsgedanken wieder stark machen“. Erinnern statt vergessen. Solidarität statt Rassismus und Verdrängung. Damit aus dem Ankommen auch ein Bleiben wird.“

Fest der Vielen 2022

Spread the Word – and the Line-Up! In den kommenden Tagen werden wir Stück für Stück das Line-Up veröffentlichen. Folgt uns dafür auf unsere eigenen Website, auf Facebook oder Instagram.

Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit Euch!

Nach der wundervollen Premiere im letzten Jahr sind wir sehr glücklich,  euch auch in diesem Jahr ein Fest der Vielen in Duisburg-Hochfeld präsentieren zu können – dieses Mal über ganze drei Tage!

Auch in 2022 haben wir ein buntes Programm für euch zusammengestellt: drei Tage vollgepackt mit Musik von Punkrock über Hip Hop, Ska und Elektro bis hin zu orientalischen Klängen und Klazmer; Podiumsdiskussionen, Kinderbetreuung, leckeres Essen, kühle Getränke und Infostände – und das alles bei freiem Eintritt! Bei gutem Wetter gibt es als Zugabe einen wunderschönen Sonnenuntergang in der industriecharmanten Kulisse direkt am Rhein.

Am Sonntag könnt ihr das Tanzbein mit HopStopBanda schwingen.

Wenn ein Jude, ein Chilene, ein Russe, ein Deutscher und ein Tatare aufeinander treffen, klingt das zuerst nach einem politisch unkorrekten Witz… wenn dann aber ein Kontrabass, eine Gitarre, ein Akkordeon, ein Saxophon und eine Flöte ins Spiel kommen, klingt das nach HopStop! Ein schräger Folk-Mix aus russischen, ukrainischen, jüdischen und orientalischen Elementen angereichert mit Latin/Balkan-Grooves macht gute Laune und gehörig Feuer unterm Arsch. Da wird selbst der größte Langweiler zum Springteufel.

Aber seht selbst!

Save the Date: Fest der Vielen 2022

Fest der Vielen | Drei Tage umsonst & draußen | Rheinpark Hochfeld
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit Euch, vom Fr. 19.08 bis So., 21.08.22.Es erwartet Euch wieder ein vielfältiges musikalisches Programm, Podiumsgespräche, kulinarische Angebote, Kinderbetreuung, Infostände uvm.

Unter anderem freuen wir uns auf:

The toten Crackhuren im Kofferraum
Ebow
Der Butterwegge & Band
Kavpersaz
The Movement
Istanbul Ghetto Club
tbc…

Wenn ihr ehrenamtlich helfen wollt, dann meldet euch in den Direktnachrichten oder unter kontakt@sgdv.org

Fest der Vielen – Von Hanau bis Duisburg, von Halle bis Köln – antirassistische Kämpfe verbinden


Samstag, 28. August 2021, 15 – 22 Uhr, Duisburg Hochfeld, Rheinpark, Umsonst und Draußen

Zwei Tage nach dem 37. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags in Duisburg-Wanheimerort, bei dem sieben Duisburger:innen im Jahr 1984 ihr Leben verloren haben, veranstalten wir gemeinsam mit der Initiative Duisburg 1984, dem Djäzz und der Initiative Amed Ahmad das Fest der Vielen im Hochfelder Rheinpark.


Auf unserem Fest kommen wir zusammen, um an die Opfer des rassistischen Brandanschlags 1984 in Duisburg zu gedenken, um uns an ihre Namen zu erinnern und ihre Geschichte in das Gedächtnis unserer Stadt zu bringen! Wir kommen aber auch zusammen, um für die Zukunft unseres Zusammenlebens ein starkes Zeichen zu setzen, und uns gegen den alten und neuen Rassismus zu solidarisieren.Wir freuen uns, mit pandemiegerechtem Hygienekonzept, das Wiedersehen mit Euch zu feiern! An diesem Tag gehört der Rheinpark in direkter Sichtweite der „Brücke der Solidarität“ unter dem Motto der Solidarität mit vielen Gästen, mit kulinarischen und kulturellen Genüssen, Livemusikprogramm auf der Bühne und einer zentralen Podiumsdiskussion ganz der Nachbarschaft, die Hochfeld tagein und tagaus lebendig halten. Daneben werdet Ihr auf dem weiträumigen Gelände mit Duisburger Initiativen an ihren Infoständen ins Gespräch kommen können, und auch für die Jüngeren ist mit einer Kinderbespaßung gesorgt. Unser Fest ist nicht kommerziell.

Wenn Ihr Euch an der Orga oder an dem Tag selbst einbringen wollt, dann schreibt uns einfach an, am besten unter kontakt@sgdv.org

Programm:
Ab 15:00 Uhr: Podiumsgespräch: Erinnern, Kämpfen, Aufklären. Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt im Gespräch

Ab 16:30 Uhr: Überleiten in das Abendprogramm werden die Künstler:innen und Poetry-Slammer:innen Abdul Kader Chahin und Lisa Brück, die gemeinsam starten mit dem Text „Anklage – in memoriam Oury Jalloh“.

Ab 18:00 Uhr: Musikprogramm, unter anderem werden für euch spielen:
• Alex X-tra ta (Duisburg, Hochfeld)
• Microphone Mafia (Köln)
• Mino Riot (Saarbrücken/Duisburg)
• Tenor (Duisburg, Marxloh)
• Kruste (Duisburg)

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Informationen zum Podiumsgespräch:
Zwei Tage nach dem 37-Jahrestag des rassistischen Brandanschlags in Duisburg-Wanheimerort 1984, bei dem sieben Duisburg:innen ihr Leben verloren haben und es bis heute keine konsequente Aufklärung und Erinnerung gibt, diskutiert Kutlu Yurtseven mit den Überlebenden und Hinterbliebenen des Anschlags in Duisburg und vielen weiteren Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, die aus Hanau, Halle, Köln und Bonn anreisen werden.

Seit der Selbstenttarnung des NSU vor zehn Jahren sind gleichermaßen die Gefahr vor rechtsterroristischer Gewalt und vor institutionellem Rassismus in den Sicherheits-, Justiz-, und Ermittlungsbehörden in einem erschreckenden Ausmaß deutlich geworden. Doch nicht erst seit dem NSU, sondern schon seit den 1970er Jahren gibt es rechte, rassistische und antisemitische Gewalt in diesem Land, die nicht konsequent genug verurteilt und bekämpft wird. Stattdessen erleben wir immer wieder, wie Betroffene rechter Gewalt nicht ihr Recht auf Aufklärung, Gedenken und Gerechtigkeit wahrnehmen können, weil sie weder von den Behörden noch von der Politik ernst genommen werden.

Dieser „blinde Fleck“ steht in Kontinuität zur fehlenden Entnazifizierung der Behörden, zum institutionellen Rassismus und der fehlenden Rassismusanalyse in den Behörden. Auch die Politik hat kontinuierlich rassistische und somit politische Motive ignoriert und es somit verpasst, konsequent genug gegen Rassismus und Rechtsterrorismus zu handeln.

Ohne gesellschaftliche und juristische Aufklärung, Erinnerung und Gerechtigkeit können aber weder die Traumata der Betroffenen und Überlebenden geheilt werden, noch kann weiterer Gewalt der gesellschaftliche Nährboden entzogen werden. Spätestens seit der Selbstenttarnung des NSU weiß man, dass man sich auf die Behörden nicht verlassen kann. Deshalb gibt es seit Jahren selbstorganisierte Initiativen, die an der Seite der Betroffenen um Erinnerung, Gerechtigkeit und Aufklärung kämpfen.

Auf diesem Podium spricht Moderator Kutlu Yurtseven mit Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt über selbstorganisierte Initiativen, Solidarität, vielstimmige Erinnerung und betroffenenorientierte Gedenkkulturen. Miteinander reden werden die Überlebenden des Brandanschlags 1984 in Duisburg, Malek Ahmad, der Vater des in der JVA Kleve gestorbenen Amed Ahmads, Talya Feldmann, Überlebende des antisemitischen, rassistischen und antifeministischen Anschlags in Halle und Angehörige der ermordeten Menschen aus Hanau.


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Gefördert durch: Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und von Soziokultur NRW, Interkultur Ruhr